Kurz vor dem Jahreswechsel gräbt mein Mann in einer Zeitschrift einen Artikel über ein Pop-Up-Restaurant in Frankfurt aus. Das Projekt klingt spannend: In einem eher verruchten Viertel von Frankfurt in einem designierten Abriss-Gebäude bieten zwei Köche, die bei bekannten Meistern gelernt haben, kreative, regionale Küche. Die Gäste sitzen an einer langen Tafel mit insgesamt 28 Plätzen und bekommen ein wöchentlich wechselndes Menü aus 4-6 Gängen und optional passender Weinbegleitung. Es klang toll und auf jeden Fall wie etwas, das wir als junges Paar sofort in Angriff genommen hätten. Jetzt gehen wir sehr selten aus, weil immer auch ein Babysitter organisiert werden muss, und gerade fällt der aufgrund einer Prüfungsphase auch noch komplett aus. Außerdem muss ich ehrlich zugeben, dass ich mir vorstellte wie hippe, großstädtische Mitt-Zwanziger an der langen Tafel über Themen reden würden, mit denen ich gar nichts würde anfangen können. Andererseits war die Vorstellung schon sehr verlockend, mal wieder etwas Cooles zu unternehmen. Welcher meiner Freunde war schon einmal in einem Pop-Up-Restaurant?
Was auch immer mich in dem Moment geritten hat: Ich ließ meinen Mann eine Reservierungsanfrage stellen für den nächsten offenen Abend nach Neujahr (das Restaurant hat drei Tage die Woche geöffnet jeweils von Donnerstag bis Samstag), und wir beschlossen, die Kinder das erste Mal alleine zu Hause zu lassen. Ich wollte den Termin so schnell wie möglich, damit wir noch in den Schulferien liegen würden und ein spätes Zu-Bett-Gehen der Kinder nicht so schlimm wäre, und vor allem, damit mich die Courage nicht verlasse würde.
Abnabelung
Die Reservierung klappte problemlos. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass es normalerweise Wartezeiten von mehreren Wochen für die Location gibt, und wir nur durch den Termin in der ersten Januarwoche so einfach untergekommen waren. Die Kinder freuten sich total auf das Abenteuer, was mir den Absprung extrem erleichterte. Bewaffnet mit meinem Handy, damit sie uns im Fall der Fälle unter Papas Nummer anrufen können, und dem Tablet, das mit drei Folgen einer Lieblingsserie ausgestattet war, schoben sie uns gut gelaunt und ungeduldig aus dem Haus. Ich war auch überraschend entspannt. Unsere liebe Nachbarin wusste Bescheid und die Kinder würden bei ihr klingen, wenn sie Hilfe brauchten. Vorweggenommen: Sie fanden es super und wollen ganz bald wieder einen Abend ohne uns 😉
Blieb nur noch eine gewisse Unruhe wegen des Publikums. Ich fragte mich, wie deplatziert ich mich vor Ort fühlen würde. Irgendwie blöd, aber wenn man seine Tischnachbarn nicht aussuchen kann, kann so ein Abend auch schnell anstrengend werden.
Erinnerungen
In der wirklich schönen Location angekommen waren wir erst einmal die einzigen Gäste. Wir schnappten uns dann jeder einen Aperitif und marschierten mit den Gläsern in der Hand in die nahegelegene Pop-Up Kunstausstellung. Mit Alkohol in der Hand über die Straße zu laufen ist in diesem Viertel sicher nichts Ungewöhnliches, die Sektgläser schon eher… Das hat mich gedanklich sehr in die ersten Jahre unserer Beziehung zurückversetzt, als wir regelmäßig durch Galerien und Kunstausstellungen gepilgert sind und uns davor oder danach in angesagten Restaurants verabredeten. Ein eigentlich simpler Abend, aber sehr kraftvoll, um mir in Erinnerung zu rufen wie wir als Paar waren vor der Kinder-Ära, bevor eine Familie mit zwei Jobs koordiniert werden musste. Das muss auf jeden Fall wieder häufiger sein! Der perfekte Anstoß für diesen Vorsatz mit dem Start ins neue Jahr!
An diesem Abend hatten wir an der langen Tafel nahezu ein „Private Dining“. Außer uns kam nur noch ein weiteres Paar. Und wie es der Zufall will in dieser großen Stadt: Sie waren nicht nur in unserem Alter, sondern beide ehemalige Kollegen von mir, die ich einige Jahre nicht gesehen hatte. Es wurde ein wirklich netter Abend. Wir unterhielten uns kurz über die jeweils neuen Jobs (ich muss natürlich immer Werbung für mein Herzensprojekt Serendana machen!) und dann ganz ausführlich über spannende Reisen, gemütliche Touren zu Weingütern, und über guten Kaffee. Das fühlte sich alles sehr erwachsen an, und ich plane gedanklich schon die nächste Reise nach Südamerika 😊
Noch ein Anlauf
Das Restaurant wird auf jeden Fall noch bis Mai in der Location bleiben – durch eine Verzögerung bei der Baugenehmigung für den Nachfolgebau vermutlich sogar bis September 2019. Wir haben uns fest vorgenommen noch einmal wieder zu kommen. Zum einen war das Essen wirklich gut mit einem vernünftigen Preis/Leistungs-Verhältnis für die sechs Gänge, und leckeren Weinen. Zum anderen will ich es jetzt wissen: Wie schlage ich mich an der langen Tafel mit 26 Fremden Tischgenossen und lautem Stimmengewirr? An diesem Abend war ich ausnahmsweise einmal hip 😉 und fand es sehr schön, aber fairer Weise war es eher ein Testlauf. Die Atmosphäre an diesem Abend war sehr besonders: Wir konnten uns ausführlich mit den Köchen in der offenen Küche austauschen und hatten die tolle Location exklusiv für unsere kleine Gruppe.
Was ich wieder einmal gelernt habe? Einfach machen! Vertrauen haben! Auf mein Gefühl hören, und nicht vergessen, was mich glücklich macht jenseits von Familie und Job. Von diesem Mini-Abenteuer im Alltag werde ich sicher noch lange zehren. Für alle Freunde, die in der Nähe wohnen: Wer hat Lust beim nächsten Mal mitzukommen und mit mir hip zu sein? Die Kunstausstellung endet leider am 20.01.2019, aber das Restaurant ist in jedem Fall einen Besuch wert. Nur Sabrina muss ich leider ausschließen. Ich fühle mich viel besser, wenn ich weiß, dass die Kinder bei dir klingeln können, wenn wir nicht da sind.
Wann fühlst du dich ganz bei dir selbst abseits aller Rollen, die du im Alltag bekleidest? Bist du experimentierfreudig?
Auch wenn das hier keine Restaurant-Kritik ist: Für alle Interessierten, die Lust bekommen haben, mache ich jetzt unbezahlte Werbung und integriere den Link zur Anmeldung. Die Location öffnet immer um 19 Uhr. Menüstart ist 19:30 Uhr donnerstags und 20:00 Uhr Freitag und Samstag. Die aktuelle Speisenfolge kann auf der Homepage vorab angesehen werden, und es gibt immer eine vegetarische Alternative.
Liebe Grüße!