Vor einigen Wochen habe ich mich mit einer ehemaligen Kollegin getroffen. Sie ist seit einigen Monaten glücklich im neuen Job und stand kurz vor einer mehrtägigen Dienstreise, auf die sie sich sehr gefreut hat. Im Anschluss sollte es dann direkt in den Urlaub mit ihrem Freund gehen. Ich kam nicht drumherum, ihr den Ratschlag zu geben, das alles gebührend zu genießen! Ich selbst empfand diese Phase, in der sie gerade ist mit Ende zwanzig, Anfang dreißig, als die bisher beste in meinem Leben. Es ist ein gewisses Fundament da durch Ausbildung, erste Berufs- und Beziehungserfahrung. Man weiß schon ganz gut wer man ist und wohin man will. Und man hat so unendlich viele Pläne! Alles ist noch möglich und nichts völlig festgelegt. Mein Mann und ich haben damals viele Reisepläne geschmiedet für ein Sabbatical und/oder die Elternzeit (es wurde dann zweiteres), für Familie inklusive Hund, eine mögliche Selbständigkeit, das eigene Haus, in welchen Städten wir gerne noch leben wollten… Wir hatten das Gefühl, uns steht die Welt offen, und das trägt ungemein.
Wann kommt die Krise?
Mit Mitte dreißig hatte ich die erste kleine Krise. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass dieses Jahrzehnt, das mir so gut gefiel und in dem sich für mich einiges verwirklicht hatte, viel zu schnell wegflog. Die letzten Monate vor meinem 40. hatte ich regelrecht Weltuntergangstimmung. Meine Oma hatte an ihrem 80. Geburtstag gesagt, dass für sie rückblickend ihre Vierziger die besten Jahre waren. Das konnte ich mir damals als Studentin natürlich so gar nicht vorstellen; und auch als ich in dieses Jahrzehnt „eingetreten“ bin, konnte ich es für mich so nicht sehen. Meine Großmutter hatte in dem Alter die Kinder schon groß und dadurch kaum mehr Verpflichtungen. Sie hatte ausreichend Zeit für sich. Ich konnte vor mir nur weiter das verrückte Hamsterrad aus Job und Familie sehen, aus dem es scheinbar keinen Absprung gab. Ich schätze, das lag daran, dass ich vor meinem dreißigsten Geburtstag alle angepeilten Ziele erreicht hatte und zufrieden nach vorne geblickt habe. All die tausend wundervollen Pläne der frühen dreißiger ließen sich natürlich nicht verwirklichen. Die standen sich ja teilweise gegenseitig im Weg: Babies, Fernreisen, Hypothek abbezahlen… Mein Blick war viel zu sehr auf das gerichtet, was sich nicht erfüllt hatte statt auf die vielen guten Dinge. So ein Perspektivwechsel ist oft wirklich schwer hinzubekommen. Und so hat jeder von uns seine „Krise“ im Leben zu einem ganz individuellen Zeitpunkt, wenn Pläne und Ziele gefühlt nicht erreicht wurden, oder man vorher gar keine Vorstellung hatte, wo man sein will, und sich fragt, ob man hier jetzt richtig ist.
Kommt die Magie zurück?
Nach fast drei Jahren in den „magic forties“ fühle ich mich tatsächlich angekommen. Der große Unterschied? Ich habe meinen Konzernjob gekündigt und einen meiner großen Träume noch in Angriff genommen: Die Selbständigkeit!!! Vor einigen Wochen hat mein Online Concept Store (Achtung Werbung! https://serendana.de) geöffnet. Das ist nicht weniger Arbeit als vorher und birgt natürlich Risiken. Trotzdem war es der absolut richtige Schritt! Ich habe viel mehr Flexibilität in der Betreuung der Kinder und auch um meine eigenen Bedürfnisse besser zu beachten. Die Sache mit dem Hund steht immer noch aus, mit den Kindern im Ausland leben, ganz viele Reiseziele… ABER: Ich habe nicht mehr das Gefühl, dass ich alles jetzt sofort oder in den nächsten fünf Jahren erreichen muss – oder überhaupt alle wilden Pläne sich immer realisieren müssen.
Eine liebe Freundin von mir schrieb mir auf eine Geburtstags-Email zu ihrem 42. Geburtstag zurück: „… es ist so dieser Zeitpunkt, an dem man noch etwas ändern kann in seinem Leben, aber man darf auch nicht mehr zu viel Zeit verschwenden, was einen angenehmen Druck aufbaut.“ Sehr schön formuliert, deshalb klaue ich hier auch einfach mal. Die Vierziger sind gar nicht so schlecht 😊 Es ist immer noch alles möglich!
Auf dem hessischen Unternehmerinnentag im August sprach Manuela Engel-Dahan als Gründerin im Expertentalk. Sie erzählte interessanterweise davon, dass sie früher zu 50. Geburtstagen in ihrem Freundeskreis immer einen schlauen Spruch auf die Karten schrieb mit dem ungefähren Wortlaut: „…und dann öffnet sich eine Tür.“ Als sie selbst kurz vor ihrem 50. Geburtstag stand, war ihr das auf einmal furchtbar peinlich. Sie hatte nicht das Gefühl, dass sich da etwas öffnen würde. Es ging ihr ähnlich wie mir vor meinem 40. Als sie aber ein paar Jahre im Jahrzehnt drin war, stellte sie fest, dass es tatsächlich stimmt! Sie hat sich noch einmal erfolgreich selbständig gemacht und begleitet heute junge Gründerinnen als Vertrauensperson. Was für eine perfekte Position für eine Frau mit so viel Erfahrung! Frau Engel-Dahan hat so viel Energie ausgestrahlt und mir die Zuversicht gegeben, dass ich es schaffen werde, die Tür auch zu finden und zu öffnen!
Wie geht es weiter?
Mein Vater wird Ende des Monats 75. Er hat einen großen Freundeskreis (und einen Hund!) und immer viel zu tun. Jedes Wochenende ist er entweder irgendwo zum Essen / zu einer Feier eingeladen oder lädt selbst ein. Er ist zum Glück ein tolles Vorbild für mich und gibt mir die Gewissheit, dass es nur an mir liegt, die kommenden Jahre und Jahrzehnte mit allem was sie zu bieten haben, genießen zu können.
In dem Bestseller „You can heal your life“ von Selbsthilfe-Guru Louise Hay ist mir am nachhaltigsten das Nachwort im Gedächtnis geblieben, in dem die Autorin ihre Sicht auf das Älterwerden weitergibt, und damit möchte ich diesen Beitrag schließen. Louise Hay ist der Meinung, dass man in jedem Alter noch seinen alten Ballast loswerden und durch Grenzen brechen kann, und sie gibt selbst das beste Beispiel: Mit 76 Jahren hat sie sich endlich den Traum erfüllt, klassischen Paartanz zu erlernen. Als sie das im Nachwort zu meiner Ausgabe des Buchs 2013 geschrieben hat, war das bereits 10 Jahre her, und sie hatte seitdem regelmäßig Stunden genommen und sich zum Tanzen getroffen! Ebenfalls mit Mitte 70 hat sie mit Yoga und Pilates begonnen und fühlte sich nach eigener Aussage beweglicher als während ihrer Kindheit. An ihrem 80. Geburtstag stellte sie sich die Frage, was die nächsten 20 Jahre wohl für sie bereit halten. Das finde ich eine tolle Sichtweise! Keiner von uns weiß, wie alt er werden wird und wie fit er dabei körperlich und geistig ist oder welche Schicksalsschläge auf dem Weg noch auf uns warten. Da ich es ohnehin nicht weiß und vorhersagen kann, plane ich mal auf 100 Jahre (plus/minus) und versuche meinen Kopf und vor allem meinen Körper (und meine geistige Gesundheit 😉) entsprechend zu pflegen und dafür fit zu halten. Mit der Sichtweise, dass ich vielleicht noch um die 60 Jahre vor mir habe und mein Leben eventuell nicht schon über die Hälfte vorbei ist, kann ich auch weiter planen, träumen, verwirklichen. Und wenn es mich mitten drin „erwischt“? Dann habe ich hoffentlich bis dahin wirklich gelebt und nicht nur existiert.
Ich arbeite daran, das Jetzt – meine persönlichen Vierziger – zu genießen und mich gleichzeitig auf das zu freuen, was die Fünfziger bringen werden! Wenn mich meine Kinder an meinem 80. oder 100. fragen, welches Alter das beste war, will ich sagen können, dass der Großteil meines Lebens eine wundervolle Zeit war.
Wie siehst du das? Findest du dein momentanes Alter „gut“, war es besser als du jünger warst? Hattest du auch schon Krisen? Ich freue mich zu hören, wie andere das erleben!