Wir alle haben schon mindestens einmal den Ratschlag gehört, dass wir dankbar sein sollen, für das was wir haben und nicht immer nur auf das schauen sollen, was gerade nicht gut ist oder was andere (mehr) haben. In Frauenzeitschriften und Selbstcoaching-Büchern wird gerne empfohlen, am Ende des Tages alles aufzuschreiben – oder sich zumindest bewusst zu machen – für was wir an diesem Tag dankbar waren. Auch mein Kalender bietet pro Woche ein Feld an mit „Gut, dass diese Woche passiert ist…“ (Ja, ich arbeite mit einem analogen Kalender aus Papier und ich liebe es, darin rum zu kritzeln und kleine Post-its rein zu kleben. 😊) Ich muss gestehen, dass ich die Idee dahinter immer gut nachvollziehen konnte, aber nicht so sicher war, wie viel das wirklich bringt. Wir wissen, dass es uns in Deutschland grundsätzlich sehr gut geht. Helfen solche Erkenntnisse aber dem eigenen Glück auf die Sprünge, wenn es uns persönlich gerade schlecht geht?
Während meines Meditationskurses letztes Jahr zum Achtsamkeits-basierten Stressabbau (Mindfulness-Based Stress Reduction, MBSR), wurde das Thema auch aufgegriffen. In der Verhaltenstherapie zeigt sich nämlich, dass es wichtig ist, das „Wie“ des Denkens zu ändern. Wenn jemand Dankbarkeit empfindet, fokussiert er mehr auf das, was funktioniert im Leben, und weniger auf das Negative.
Da viele von uns wenigstens zeitweise an länger anhaltender schlechter Laune oder auch einmal depressiven Verstimmungen leiden, lohnt es sich auf jeden Fall, an einem Perspektivwechsel zu arbeiten. Seit ich diesen Kalender mit dem dafür vorgesehenen Feld habe, schreibe ich tatsächlich jede Woche ein paar Punkte auf. Täglich fühlt sich für mich persönlich zu viel an. Ich finde aber jede Woche zwei bis fünf Dinge, die wirklich gut waren und über die ich mich dann noch einmal freue, wenn ich mich daran erinnere und sie festhalte. Diejenigen von euch, die ohnehin ein Tagebuch oder Journal führen (auch digital) können das für diese Übung natürlich optimal nutzen. Von meiner lieben Freundin Stephanie habe ich zum vorletzten Geburtstag eine „Schöne Tagebox“ bekommen. Für jeden Tag im Jahr gibt es ein Karteikärtchen, auf dem man zum Beispiel immer vor dem Schlafengehen einen besonderen Moment festhalten kann. Ich bewahre diesen Kalender nur für die eher großen Momente auf wie meine Gewerbeanmeldung für serendana 😊 oder die erste Klassenfahrt meiner Tochter, und werde sicher einige Jahre brauchen, bis auf jedem Karteikärtchen etwas steht. Dafür wird er einmal ein richtiger Schatz sein, den meine Kinder und Enkel vielleicht hin und wieder durchforsten. Rückblickend wird mein Leben dann ziemlich glücklich und ereignisreich gewesen sein! 😊
Egal, wie ihr vielleicht an die Sache rangehen wollt, ein festes Ritual ist unabdingbar, sonst läuft die Gewohnheit ganz schnell wieder aus oder setzt erst gar nicht richtig ein. Es gibt bestimmt noch ganz viele Möglichkeiten, wie man sich das zu eigen machen kann. Bei mir würde es ohne die erwähnten Helfer auf jeden Fall nicht funktionieren.
Das kleine Glück planen
Eine andere Herangehensweise an das Thema, die ich auf Anhieb sehr spannend fand, habe ich in dem Buch „Das Leben ist keine To-Do-Liste“ von Shirley Seul gefunden. Sie empfiehlt, sich jeden Morgen ein paar Minuten Zeit zu nehmen und die Dinge zu notieren, auf die man sich an diesem Tag freut. Das gibt dem Tag gleich eine positivere Note. Man kann das zumindest einmal eine Zeit lang versuchen. Ich bin hier eher der Typ, der das geistig durchgeht; zum Beispiel gleich nach dem Aufstehen noch beim Räkeln im Bett oder wenn ich neben dem Herd stehe und dem Tee beim Köcheln zusehe. Ganz richtig wäre es aber, sich auch hier wieder ein Ritual zu schaffen, bei dem man auf einen bereitstehenden Notizblock oder in ein Büchlein für diesen Zweck (auf dem Nachttisch, neben dem Herd…) notiert. Sollte jemand von euch das bereits praktizieren oder jetzt damit anfangen, schreibt das bitte sehr gerne als Kommentar für alle Interessierten inklusive mir.
Allerdings hat sich mir auch die Frage gestellt, was ich mit den Tagen mache, an denen mir einfach nichts Schönes, Gutes, Freudiges einfallen will. Ziehe ich mich damit dann total runter? Gerade in Zeiten, in denen es einem weniger gut geht und man alles nur noch schrecklich findet, fällt einem im Zweifelsfall gar nichts ein.
Hierfür habe ich zwei Antworten gefunden. Die erste lautet: Ja, an manchen Tagen, muss ich mich darin üben, für die alltäglichen Dinge dankbar zu sein und mich einfach darauf freuen, dass ich nach einem zu erwartenden Chaos-Tag im Büro meine Katzen streicheln werde, meine Kinder drücke, mein Buch endlich weiterlesen kann, den Stress weg jogge… Was immer es für dich ist.
Die zweite Antwort ist die, die sich in der Praxis für mich noch mehr bewährt hat. Am Anfang eines Tages kann ich nämlich noch ziemlich viel Einfluss nehmen auf das, was da kommt. Wenn mir jetzt absolut nichts einfallen will, auf das ich mich freue, und ich auch nicht in der Stimmung bin, für die Selbstverständlichkeiten meines Lebens besonders dankbar zu sein, baue ich etwas Schönes in den Tag. Ich habe morgens ja noch ausreichend Zeit dafür. Ich spreche hier nicht von großen Events. Das Ganze soll gerade nicht in Stress und Anstrengung ausarten. Ich kann meiner Freundin eine Nachricht schicken und mich für ein Telefonat verabreden für die Zeit, die ich abends im Auto sitze auf dem Weg nach Hause. Oder einfach einen langen Mädels-Chat-Austausch anzetteln. Ich kann eine längere Mittagspause einplanen, um im Café einen richtig guten Kaffee oder Nachtisch-Kuchen zu genießen. Ich kann eine nette Kollegin fragen, ob sie am Nachmittag Zeit für einen kleinen Schnack hat. Ich kann mir fest vornehmen, abends ein entspannendes Vollbad zu nehmen oder das Abendessen mit schönen Kerzen aufzupeppen. Ich kann mir auf dem Weg zur / von der Arbeit eine Klatschzeitschrift / Lieblingsschokolade / Was-auch-immer-Schönes kaufen. Ich kann mich mit Netflix (das ich übrigens selber gar nicht nutze – das soll keine Werbung sein…) zum Binge-Watching meiner Lieblingsserie verabreden.
Eine ehemalige Kollegin von mir hat sich ihre Lieblings-Tratsch-Zeitschrift abonniert. Diese liegt jeden Donnerstag im Briefkasten. Ihre Familie weiß, dass sie donnerstags für eine halbe Stunde auf dem Sofa mit dieser Zeitschrift beschäftigt ist und nicht gestört werden darf. Es ist ein kleines Ritual, das ihre Kinder schon als sie noch ganz klein waren respektiert haben. Diese halbe Stunde gehört nur Mama und bleibt „störungsfrei“. Somit ist schon eine fixe Mini-Glücksinsel fest in die Woche eingebaut.
Es gibt ganz viele Möglichkeiten, sich einen Mini-Glücksmoment zu verschaffen. Natürlich darf das nicht ausarten in dauerhafte, ungesunde Angewohnheiten, wie tägliche Riesenportionen Eis-Creme im Bett vor dem Tablet á la Bridget Jones oder der täglichen Feierabend-Margarita. Aber hier und da darf und sollte man sich seinen Tag versüßen im eigentlichen und übertragenen Sinne. Unser Arbeitsalltag ist meistens gut strukturiert (wenn auch in unterschiedlichen Abstufungen 😉). Warum kümmern wir uns nicht ein bisschen mehr um das kleine Glück im Alltag? Auch das lässt sich mit relativ wenig Aufwand bewusst pflegen und muss nicht immer nur zufällig passieren.
Vielleicht planen wir auch eine Überraschung für jemanden, der uns nahesteht. Oder nehmen uns einfach die Zeit, den nächsten Urlaub zu recherchieren, um die Vorfreude zu genießen.
Da wir soziale Wesen sind, sind natürlich alle Aktivitäten, die andere Menschen involvieren am besten geeignet, die Stimmung zu heben. Manchmal ist aber etwas, das ich nur für mich mache, genau das, was ich brauche, um Aufzutanken. Wenn man sich das mit dem Freuen fest vornimmt, stehen die Chancen ganz gut, dass man dann in seinen Glückskalender auch viel hineinschreiben kann wofür man dankbar war.
Lasst mich wissen, was eure kleinen Glücksmomente im Alltag sind und ob ihr sie festhaltet oder eventuell sogar bewusst einplant. Ich bin gespannt!